Franz Huber

Gedanken

Wie kann ein guter Abschied gelingen?

  • indem ich dem, was ist, Raum gebe: Gefühlen, Fragen, Schmerz, Ratlosigkeit…
  • indem ich dem, was ist, Ausdruck gebe in Form und Stimme: Rituale, Zeichen, Gesten, Worte…
  • indem ich würdigend zurückblicke auf das, was war
  • indem ich hinschaue auf das, was nun anders sein wird
  • indem ich erkenne, was der verstorbene Mensch mir mitgibt, mir hinterlässt
  • indem ich diesem scheidenden Menschen etwas mitgebe:
    gute Wünsche, Dank, Zeichen der Verbundenheit…
  • indem ich diese Lebenswende, diesen Abschied in einen größeren Sinnzusammenhang stelle
  • indem ich erkenne, dass eine Beziehung sich verändert, aber deshalb nicht endet
Treppe
Wald

Der Schatz eines Lebens

Manche Menschen hinterlassen ein beeindruckendes Lebenswerk.
Anderer Menschen Leben erscheint eher unscheinbar, völlig unspektakulär.
Wieder andere scheinen ihr ganzes Leben gekämpft zu haben, mit Widrigkeiten, mit Schicksalsschlägen.
Gleichwie ein Leben verlaufen ist und welchen Eindruck es von aussen macht: ich bin überzeugt, dass sich in jedem Leben, in jeder Biografie ein Schatz verbirgt, den es zu entdecken lohnt.
Jeder Mensch hat seine Gründe, weshalb er so geworden ist, wie er ist. Und ein jeder entwickelt seine eigene Lebensweisheit, wie er versucht, den Herausforderungen des Lebens zu begegnen und seinen Weg zu finden. Und ich glaube, ein jeder Mensch tut dies auf die ihm bestmögliche Weise.

Es lohnt sich, dieser Lebensweisheit, diesem Schatz im Leben eines Verstorbenen nachzuspüren; es kann uns diesen Menschen nochmal auf besondere Weise nahebringen.

Trauer

Jeder Mensch trauert anders.
Ich bin kein Trauerexperte, doch bekomme ich über die Jahre eine Ahnung, wie vielschichtig das Phänomen Trauer ist.
Trauer ist, ganz nüchtern formuliert, ein Verarbeitungsprozess. Die Seele sucht einen Weg, mit dem Erlebten zurechtzukommen – mit dem Ziel, in die eigene Welt eine neue Ordnung zu bringen.

Was in der Trauer mitschwingen kann:
– Verlustschmerz – Gefühle der Verlassenheit – Schuldgefühle – das Empfinden, etwas versäumt zu haben – Selbstvorwürfe – Wut – Vorwürfe gegen den Verstorbenen – Ohnmacht – Sinnverlust – Enttäuschung – Angst – Schutzlosigkeit – das Gefühl von Überforderung – Orientierungslosigkeit…

  • Trauern ist aber nicht nur Traurig-sein. – Was Trauern auch sein kann:
  • Beziehungsklärung
  • Sichten und Sichern von Erinnerungen und Erlebtem
  • Wertschätzung dessen was war
  • ein Prozess der Neu-Verortung: Wo stehe ich jetzt?
  • eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Sinnfrage
  • eine Zeit der Inventur in der eigenen Seele
  • Rückzug in einen „geschützten Bereich“
  • Pflegen der eigenen Bedürftigkeit
  • ein Prozess der Neubewertung der eigenen Glaubenssätze
  • eine Zeit der Erkenntnis: über den anderen, über mich selbst

Sicher haben Sie noch eigene Erfahrungen.

Pfad
Kerze

Über Tote nur Gutes!?

Über Verstorbene soll man nichts Schlechtes sagen, heisst es gemeinhin. Und der Gedanke ist ja durchaus verständlich: Der Verstorbene soll in einem guten Licht verabschiedet werden. Die Pietät gebietet es, nicht (mehr) auf unguten Geschichten herumzureiten. Und überhaupt – der Tote kann sich nicht mehr wehren.
Also: Nur Gutes!
Was aber, wenn das der Realität in keiner Weise entspricht? Wenn der Verstorbene – sagen wir es offen – ein Ekel war? Wenn die Beziehung der Angehörigen zu ihm wesentlich geprägt war von Leid, Streit, Verletzungen?

Manchmal steht da in der Trauerfeier, in der Aussegnungshalle ein „weisser Elefant“: Irgend etwas aus dem Leben des Verstorbenen, das für ihn wenig rühmlich war oder den Hinterbliebenen peinlich ist. Oft weiß es ein jeder der Anwesenden – aber angesprochen werden darf es nicht. Dabei wäre es oft so befreiend, so entlastend, dürfte man es an- und aussprechen:
Ja, X ist seiner Alkoholsucht erlegen.
Y hat sich das Leben genommen.

Dinge auszusprechen schafft Klarheit.
Und nimmt den Hinterbliebenen eine Bürde: dieses Tabu, dieses Geheimnis weiter mit sich herumtragen zu müssen. Es geht darum, die Verantwortung für das eigene Leben wieder dahin zurückzugeben, wo es hingehört: In dem Fall: an den Verstorbenen. So (nur so) nehme ich ihn ernst. Und lasse ihm seine Würde (bzw. geb sie ihm zurück).

Also: Wesentliches nicht verschweigen. Nicht beschönigen. Es geht nicht darum, den Toten schlecht zu machen oder Familien-Interna breitzutreten; es geht um Wahrhaftigkeit. Und wenn ein Geheimnis kein Geheimnis mehr ist, hat man die Möglichkeit, genauer hinzuschauen, warum es so war wie es war. Woher es kam, dass sich N so verhalten hat. Wie man (gemeinsam) umgeht mit den Wunden, die Z geschlagen hat.

Manche werden den Verstorbenen vielleicht in einem neuen Licht sehen.
Manche werden vielleicht ihr Kapitel mit diesem Menschen hier bewusst abschliessen.
Manchen rückt er womöglich menschlich näher.

Es geht nicht nur um den Verstorbenen. Es geht auch um die Lebenden.